Hast Du Dich schon einmal intensiv beim Zuhören beobachtet? Das kann sehr spannend und erkenntnisreich sein. Eine Übung zur Inspiration, wie Du es testen kannst, findest Du weiter unten im Text. Doch zunächst beginne ich mit einer kleinen Erläuterung, um das Modell etwas genauer, als im Bild, zu beleuchten.
Friedemann Schulz von Thun hat ein Modell entwickelt, das uns hilft, unser Zuhörverhalten leichter zu verstehen und zu verbessern. Es kann spannend sein, die eigenen Gedanken und Gefühle zu beobachten und festzustellen, in welcher Ebene man sich gerade aufhält. Mit welchem Ohr wir unserem Gesprächspartner somit zuhören.
Das Ohr der Sachebene
Beginnen wir mit dem ersten Ohr, dem Ohr, der Sachebene. Wenn Du in dieser Ebene zuhörst, konzentrierst Du Dich auf Zahlen, Daten, Fakten. Es geht also, wie das Wort schon sagt, um die reine Sachinformation, den Sachinhalt.
- Worüber wird genau gesprochen?
- Um was geht es genau?
Beispiele:
Wenn jemand sagt:
- „Es regnet draußen!“, hörst Du die Tatsache, dass Regentropfen vom Himmel auf den Boden fallen und er nass wird. Es also regnet.
- „Die Ampel ist grün!“, hörst Du die Tatsache, dass die Ampel die grüne Farbe anzeigt.
Das Ohr der Selbstoffenbarung
Das zweite Ohr ist das Ohr der Selbstoffenbarung. Hier geht es darum, was der Sprecher über sich selbst preisgibt, also über seine eigene Persönlichkeit.
Dein Ohr versucht in diesem Fall zu erkennen, was im Innern des Erzählers vor sich geht. Welche Gedanken und Gefühle er mit Dir teilt. Die Worte, die bei Dir eintreffen, sagen etwas über die Persönlichkeit des Sprechers aus. Was denkt er?
Beispiele:
Wenn jemand sagt:
- „Es regnet draußen!“, hörst Du vielleicht: „Draußen ist es nass und ungemütlich, so kann ich nicht spazieren gehen!“
- „Die Ampel ist grün!“, hörst Du vielleicht: „Ich habe es eilig!“
Das Ohr der Beziehungsebene
Die dritte Ebene ist das Beziehungsohr. Hier achtest Du darauf, wie sich die Worte auf Eure Beziehung auswirken. Du versuchst herauszufinden, wie sich Dein Gesprächspartner Dir gegenüber fühlt, über Dich denkt und wie Du Dich in der Beziehung zu ihm fühlst. Es geht also um das Verhältnis zwischen Dir und Deinem Gesprächspartner. Habt Ihr Euch gern oder nicht? Oftmals entscheidet das Ohr dieser Ebene - ob bewusst oder unbewusst - durch das Beobachten und Wahrnehmen der Körpersprache der Person, die spricht. Es ist sozusagen Dein Gefühlsohr, Dein emotionales Ohr.
Beispiele:
Wenn jemand sagt:
- „Es regnet draußen!“, hörst Du vielleicht: „Der will sich nur vor einem Spaziergang mit mir drücken, weil er nicht mit mir gesehen werden will!“
- „Die Ampel ist grün!“, hörst Du vielleicht: „Er denkt, ich bin zu blöd!“
Das Ohr des Appells
Zu guter Letzt haben wir das Ohr des Appells. Hier geht es darum, was Dein Gesprächspartner von Dir erwartet oder möchte. Womit er Dich auffordert, etwas zu tun. Du hörst somit einen Befehl, eine Bitte, die Du erledigen sollst.
Wenn jemand sagt: „Könntest Du bitte das Fenster schließen?“, erkennst Du den Appell, die Bitte oder den Befehl, der dahintersteht.
Beispiele:
Wenn jemand sagt:
- „Es regnet draußen!“, hörst Du vielleicht: „Mach schnell alle Fenster zu!“
- „Die Ampel ist grün!“, hörst Du vielleicht: „Fahr endlich los!“
Um die Ebenen noch etwas in Dir zu vertiefen, denn was wir kennen können wir nicht unbedingt sofort, lade ich Dich ein, Dir weitere Sätze zu überlegen und diese mit Beispielen jeweils den Ebenen zuzuordnen.
Nun folgt die nächste Einladung von mir an Dich.
Da Du Dich nun schon gut mit den Ohr-Ebenen vertraut gemacht hast, geht es nun darum, Dich selbst für mindestens eine Woche intensiv zu beobachten und Deine bevorzugten Ohren bei unterschiedlichen Gesprächspartnern zu bestimmen.
Frage Dich während des Gesprächs:
Habe ich das richtige, von mir gewünschte, Ohr geöffnet?
- Welches Ohr habe ich während des Gesprächs geöffnet?
- Bin ich wirklich offen für das, was mein Gesprächspartner sagt, oder höre ich eher das, was ich selbst hören möchte?
Was genau höre ich?
- Ist es wirklich das, was mein Gegenüber sagt?
- Höre ich achtsam und genau hin?
- Höre ich wirklich das, was mein Gegenüber zu mir sagt oder filtere ich Gesagtes vorab durch meine eigenen Überzeugungen oder Erwartungen und höre, was ich hören will?
Will ich so denken und fühlen?
- Was denke ich, während die Worte vom Gegenüber gesprochen werden und welche Gefühle lösen meine Gedanken aus? Wo im Körper spüre ich es?
- Wie werden meine eigenen Gedanken und Gefühle durch die Worte des Gegenübers beeinflusst?
- Will ich wirklich so denken und fühlen?
- Was kann ich stattdessen denken und mit diesen Gedanken meine Gefühle verändern?
Wollte mein Gesprächspartner wirklich ausdrücken, was ich durch seine Worte denke und fühle?
- Hat mein Gesprächspartner tatsächlich beabsichtigt, das zu kommunizieren, was ich verstanden habe?
- Ist es möglich, dass er etwas ganz anderes gemeint hat, als ich verstanden habe?
- Kann es sein, dass ich ihn missverstanden habe?
Warum fühle ich mich so?
- Habe ich mir ausreichend Zeit genommen, um meine eigenen Gefühle und Emotionen zu erkunden und zu verstehen?
- Warum fühle ich mich wütend, traurig, glücklich, gekränkt, beleidigt, etc.?
- Welche Worte oder Nachrichten meines Gegenübers lösten diese Gefühle aus und warum ist das so? Welche Erfahrung aus der Vergangenheit könnte damit in Verbindung stehen?
Kann mein Gesprächspartner wissen, was Gesagtes in mir auslöst?
- Kann mein Gesprächspartner wirklich wissen, wie seine Worte auf mich wirken?
- Ist es möglich, dass er meine Reaktion auf seine Worte wirklich versteht und richtig zuordnen kann?
- Ist meine Reaktion wirklich angemessen?
- Habe ich bei meinen Gedanken beachtet, dass niemand den gleichen Kopfinhalt hat, wie ich? Dass jeder Mensch ein Individuum ist und unterschiedlich geprägt ist? Spielt sich der Gedankenfilm ausschließlich in meinem eigenen Kopf ab?
Das 4-Ohren-Modell ist ein kraftvolles Werkzeug, um unsere Kommunikation zu verbessern und Missverständnisse zu vermeiden. Indem wir lernen, bewusster zuzuhören und die verschiedenen Ebenen während eines Gesprächs zu erkennen, können wir respektvoller und wertschätzender miteinander sprechen. Durch regelmäßiges Training ist es möglich unsere Beziehungen zu vertiefen sowie ein tieferes Verständnis für uns selbst und unsere Mitmenschen entwickeln.
Ich lade Dich ein, diese Übung, in Deinem eigenen Tempo, in den Alltag zu integrieren, um nach und nach mögliche positive Veränderungen in Deinen zwischenmenschlichen Beziehungen zu erleben.
Kleiner Tipp:
Schreibe all' Deine Erkenntnisse in ein Erkenntnistagebuch und nutze es als zusätzliches Hilfsmittel, für Dein mentales Training.
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Herzliche Grüße
Deine Barbara
Herzlichen Dank fürs Lesen und Dein Vertrauen.
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